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Geblendet von Energieeffizienz

Sich auf Energieeffizienz zu fokussieren, bedeutet, gegenwärtige Lebensweisen unverhandelbar zu machen.

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Sich auf Energieeffizienz zu fokussieren, bedeutet, gegenwärtige Lebensweisen unverhandelbar zu machen. Die Umstellung des heutigen Lebensstils ist jedoch der Schlüssel, um den Klimawandel einzudämmen und unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.

Energieeffizienz-Politik

Steigerung der Energieeffizienz ist eine der vorrangigen politischen Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen und hin zu mehr Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen in der industrialisierten Welt. So hat sich die Europäische Union (EU) zum Beispiel das Ziel gesetzt, 20% Energieeinsparungen durch Verbesserungen der Energieeffizienz bis 2020 und 30% bis 2030 zu erreichen. Zu den Maßnahmen zur Erreichung dieser EU-Ziele gehören verbindliche Energieeffizienzzertifikate für Gebäude, Mindesteffizienzstandards und die Kennzeichnung einer Vielzahl von Produkten wie Boiler, Haushaltsgeräte, Beleuchtung und Fernseher sowie Emissionsstandards für Autos. 1

Die EU hat die weltweit fortgeschrittenste Energieeffizienzpolitik, aber ähnliche Maßnahmen werden jetzt auch in vielen anderen Industrieländern, darunter China, angewandt. Auf globaler Ebene behauptet die Internationale Energieagentur (IEA): “Energieeffizienz ist der Schlüssel zur Gewährleistung eines sicheren, zuverlässigen, erschwinglichen und nachhaltigen Energiesystems für die Zukunft”. 2 Im Jahr 2011 hat die Organisation ihr 450-Szenario vorgestellt, das die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf 450 parts per million begrenzen soll. Eine verbesserte Energieeffizienz macht 71% der prognostizierten Kohlenstoffreduzierung im Zeitraum bis 2020 und 48% im Zeitraum bis 2035 aus. 2 3

Was sind die Ergebnisse?

Führen Verbesserungen der Energieeffizienz tatsächlich zu Energieeinsparungen? Auf den ersten Blick wirken die Vorteile der Effizienz beeindruckend. So hat sich beispielsweise die Energieeffizienz einer Reihe von Haushaltsgeräten, die unter die EU-Richtlinien fallen, in den letzten 15 Jahren deutlich verbessert. Zwischen 1998 und 2012 wurden Kühl- und Gefriergeräte um 75%, Waschmaschinen um 63%, Wäschetrockner um 72% und Geschirrspüler um 50% energieeffizienter. 4

Allerdings lag der Energieverbrauch in der EU-28 im Jahr 2015 nur geringfügig unter dem Energieverbrauch im Jahr 2000 (1.627 mtoe gegenüber 1.730 mtoe, was für Millionen Tonnen Öläquivalent steht). Darüber hinaus gibt es mehrere andere Faktoren, die den (geringfügigen) Rückgang des Energieverbrauchs erklären können, wie die Wirtschaftskrise von 2007. Tatsächlich ist der Energieverbrauch in der EU nach Jahrzehnten kontinuierlichen Wachstums zwischen 2007 und 2014 leicht zurückgegangen, um dann 2015 und 2016 wieder anzusteigen, als das Wirtschaftswachstum zurückkehrte. 1

Auf globaler Ebene steigt der Energieverbrauch weiterhin mit einer durchschnittlichen Rate von 2,4% pro Jahr. 3 Das ist doppelt so hoch wie das Bevölkerungswachstum, während fast die Hälfte der Weltbevölkerung nur begrenzten oder gar keinen Zugang zu modernen Energiequellen hat. 5 In den Industrieländern (OECD) hat sich der Energieverbrauch pro Kopf der Bevölkerung zwischen 1960 und 2007 verdoppelt. 6

Rebound Effekte?

Warum führen Fortschritte bei der Energieeffizienz nicht zu einer Verringerung der Energienachfrage? Die meisten Kritiker konzentrieren sich auf die so genannten “Rebound-Effekte”, die seit dem neunzehnten Jahrhundert beschrieben werden. 7 Verbesserungen der Energieeffizienz fördern dem Rebound Argument zufolge oft eine intensivere Nutzung der Dienstleistungen, die durch Einsatz von Energie erbracht werden. 8 Zum Beispiel hat der Fortschritt der Festkörperbeleuchtung (LED), die sechsmal effizienter ist als die altmodische Glühbirne, nicht zu einem Rückgang des Energiebedarfs für Beleuchtung geführt. Stattdessen führte er zu sechsmal mehr Licht. 9

In einigen Fällen können die Rebound-Effekte groß genug sein, um insgesamt einen Anstieg des Energieverbrauchs zu bewirken. 8 Die gesteigerte Effizienz von Mikrochips hat beispielsweise die Nutzung von Computern beschleunigt, deren Energieverbrauch insgesamt nun den Verbrauch früherer Generationen von Computern mit weniger energieeffizienten Mikrochips übersteigt. Fortschritte bei der Energieeffizienz in einer Produktkategorie können auch zu einem erhöhten Energieverbrauch in anderen Kategorien führen oder eine völlig neue Produktkategorie schaffen.

Zum Beispiel sind LED-Bildschirme energieeffizienter als LCD-Bildschirme und könnten daher den Energieverbrauch von Fernsehern reduzieren. Sie führten jedoch auch zur Verbreitung von digitalen Werbetafeln, die trotz ihrer energieeffizienten Komponenten enorme Stromfresser sind. 10 Letztendlich besteht auch die Möglichkeit, dass das durch verbesserte Energieeffizienz eingesparte Geld, wieder für andere energieintensive Güter und Dienstleistungen ausgegeben wird, was allgemein als indirekter Rebound-Effekt bezeichnet wird.

Jenseits des Rebound-Arguments

Rebound-Effekte werden von der EU und der IEA ignoriert, was zum Teil erklären könnte, warum die Ergebnisse hinter den Prognosen zurückbleiben. Unter Fachleuten wird das Ausmaß des Rebound-Effekts heftig debattiert. Während einige argumentieren, die “Rebound-Effekte kompensieren oder eliminieren häufig die Energieeinsparungen durch verbesserte Effizienz” 3, behaupten andere, die Rebound-Effekte seien “eine Ablenkung geworden”, weil sie relativ gering wären: “Verhaltensreaktionen mindern die angestrebten Energieeinsparungen um 5-30% und erreichen nicht mehr als 60%, wenn sie mit makroökonomischen Effekten kombiniert werden — Energieeffizienz spart durchaus Energie”. 11

Diejenigen, die Rebound-Effekte herunterspielen, führen das Ausbleiben von Ergebnissen darauf zurück, dass wir uns nicht genügend anstrengen: “Viele Möglichkeiten zur Verbesserung der Energieeffizienz bleiben immer noch ungenutzt”. 11 Andere sind von dem Ziel getrieben, die Energieeffizienzpolitik zu verbessern. Ein Vorschlag ist, den Bezugsrahmen zu erweitern, so dass Analysten nicht die Effizienz einzelner Produkte, sondern die ganzer Systeme oder Gesellschaften berücksichtigen sollten. Aus dieser Sicht ist Energieeffizienz weder ganzheitlich genug formuliert noch ausreichend Kontext gegeben. 12 13

Doch einige wenige Kritiker gehen noch einen Schritt weiter. Ihrer Ansicht nach lässt sich die Energieeffizienzpolitik nicht korrigieren. Das Problem mit der Energieeffizienz sei, dass sie Lebensweisen etabliere und reproduziere, die auf Dauer nicht nachhaltig seien. 1214

Ein Paralleluniversum

Rebound-Effekte werden oft als “unbeabsichtigte” Folgen dargestellt, aber sie sind das logische Ergebnis der Abstraktion, die zur Definition und Messung der Energieeffizienz erforderlich ist. Laut Loren Lutzenhiser, einem Forscher an der Portland State University in den USA, ist die Energieeffizienzpolitik so weit von der Dynamik der alltäglichen Energienutzung entfernt, dass sie in einem “Paralleluniversum” agiert. 14 In einer jüngeren Publikation, What is wrong with Energyefficiency (Was ist verkehrt an Energieeffizienz?), entwirrt die britische Forscherin Elizabeth Shove dieses “Paralleluniversum” und kommt zu dem Schluss, dass Effizienzpolitik “kontraproduktiv” und “Teil des Problems” ist. 12

Einigen Kritikern zufolge ist Effizienzpolitik “kontraproduktiv” und “Teil des Problems”.

Zunächst einmal interpretiert das Paralleluniversum der Energieeffizienz “Energieeinsparungen” in einer eigentümlichen Art und Weise. Wenn die EU erklärt, dass sie 20% “Energieeinsparungen” bis 2020 erreichen wird, sind “Energieeinsparungen” nicht definiert als eine Reduzierung des tatsächlichen Energieverbrauchs im Vergleich zu aktuellen oder historischen Werten. Eine solche Definition würde nämlich zeigen, dass Energieeffizienz den Energieverbrauch überhaupt nicht reduziert. Stattdessen werden die “Energieeinsparungen” als Reduktionen im Vergleich zum prognostizierten Energieverbrauch im Jahr 2020 definiert. Diese Reduzierungen werden gemessen, indem die “vermiedene Energie” quantifiziert wird — die Energieressourcen, die aufgrund von verbesserter Energieeffizienz nicht verbraucht wurden.

Selbst wenn die prognostizierten “Energieeinsparungen” vollständig realisiert werden sollten, würden sie nicht zu einer absoluten Verringerung des Energiebedarfs führen. Die EU behauptet, die Fortschritte bei der Energieeffizienz “entsprechen in etwa dem Abschalten von 400 Kraftwerken”, aber in Wirklichkeit wird kein einziges Kraftwerk im Jahr 2020 aufgrund von Fortschritten bei der Energieeffizienz abgeschaltet werden. Stattdessen heißt es, dass Europa bis 2020 zusätzliche 400 Kraftwerke hätte bauen müssen, wenn sich die Energieeffizienz nicht verbessert hätte.

Mit diesem Ansatz behandelt die EU Energieeffizienz wie einen Kraftstoff, “eine eigenständige Energiequelle” 15. Die IEA geht sogar noch weiter, indem sie behauptet, die “Energie, die von den IEA-Mitgliedsländern im Jahr 2010 vermieden wurde (durch Investitionen im Zeitraum von 1974 bis 2010), ist größer als die tatsächliche Nachfrage, die durch jede andere angebotsseitige Ressource, einschließlich Öl, Gas, Kohle und Elektrizität, gedeckt wurde”, so dass Energieeffizienz “der größte oder erste Kraftstoff” ist. 16 12

Messen, was nicht existiert

Energieeffizienz als Kraftstoff zu behandeln und deren Erfolg in Form von “vermiedener Energie” zu messen, ist doch ziemlich seltsam. Zum einen geht es darum, nicht einen Kraftstoff zu verwenden, der nicht existiert. Des weiteren wäre die “vermiedene Energie” umso größer, je höher der prognostizierte Energieverbrauch im Jahr 2030 ist. Andererseits, wenn der für 2030 prognostizierte Energieverbrauch niedriger wäre als der heutige Verbrauch (wir also den Energiebedarf reduzieren), wird die “vermiedene Energie” negativ.

Eine Energiepolitik, die den Ausstoß von Treibhausgasen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren versucht, muss ihren Erfolg an einem geringeren Verbrauch fossiler Brennstoffe messen. 17 Durch das Messen von “vermiedener Energie” bewirkt die Energieeffizienzpolitik jedoch genau das Gegenteil. Da der prognostizierte Energieverbrauch höher ist als der gegenwärtige, geht die Energieeffizienzpolitik immer davon aus, dass der Gesamtverbrauch an Energie weiter steigen wird.

Ein weiterer Eckpfeiler der Klimaschutzpolitik — die Dekarbonisierung der Energieversorgung durch die Förderung des Ausbaus der erneuerbaren Energien — leidet unter ähnlichen Mängeln. Da der Anstieg der gesamten Energienachfrage das Wachstum der erneuerbaren Energien übertrifft, sind Sonnen- und Windkraftwerke in Wirklichkeit keine Entkarbonisierung der Energieversorgung. Sie ersetzen nicht die fossilen Kraftwerke, sondern tragen nur dazu bei, den ständig wachsenden Energiebedarf zu decken. Nur mit der Einführung des Konzepts der “vermiedenen Emissionen” können erneuerbare Energien so dargestellt werden, als erzielten sie die gewünschte Wirkung. 18

Was ist es, das effizient ist?

In What is wrong with energy efficiency? (Was ist verkehrt an Energieeffizienz?) zeigt Elizabeth Shove, dass das Konzept der Energieeffizienz ebenso abstrakt ist wie das Konzept der “vermiedenen Energie”. Bei Effizienz geht es darum, mehr Dienstleistungen (Wärme, Licht, Transport,…) für den gleichen Energieeinsatz zu erbringen oder die gleichen Dienstleistungen bei geringerem Energieeinsatz. Ein erster Schritt um Verbesserungen festzustellen, hängt daher von der Definition der “Dienstleistung” ab (was ist es, das effizient ist?) und von der Quantifizierung der Energiemenge (was ist “weniger Energie”?). Einen Bezugspunkt festzulegen, an dem die “Energieeinsparungen” gemessen werden, bedeutet auch, zeitliche Grenzen festzulegen (wo beginnt und endet die Effizienz?). 12

Das Hauptargument von Shove ist, dass die Festlegung zeitlicher Grenzen (wo beginnt und wo endet Effizienz?) automatisch den “Dienst” (was ist es, das effizient ist?) spezifiziert und umgekehrt. Das liegt daran, dass Energieeffizienz nur definiert und gemessen werden kann, wenn sie auf Äquivalenz der Dienstleistungen beruht. Shove konzentriert sich auf Gebäudeheizung, aber ihr Punkt gilt auch für alle anderen Technologien. Zum Beispiel verbrauchte ein Passagierflugzeug 1985 im Durchschnitt 8 Liter Treibstoff, um einen Passagier über eine Entfernung von 100 km zu befördern, dieser Wert liegt heute bei 3,7 Litern.

Folglich heißt es, Flugzeuge seien doppelt so effizient geworden. Wenn wir jedoch einen Vergleich des Treibstoffverbrauchs zwischen heute und 1950 anstatt 1985 anstellen, verbrauchen Flugzeuge überhaupt nicht weniger Energie. In den 1960er Jahren wurden Propellerflugzeuge durch Düsenflugzeuge ersetzt, die doppelt so schnell waren, aber anfangs doppelt so viel Treibstoff verbrauchten. Erst fünfzig Jahre später wurde das Düsenflugzeug so “energieeffizient” wie die letzten Propellerflugzeuge aus den 1950er Jahren. 19

Im größeren historischen Kontext betrachtet, zerfällt das Konzept der Energieeffizienz vollständig.

Was ist also eine sinnvolle Zeitspanne für einen Effizienzvergleich? Sollten Propellerflugzeuge berücksichtigt oder ignoriert werden? Die Antwort hängt von der Definition der äquivalenten Dienstleistung ab. Wenn die Dienstleistung als “Fliegen” definiert ist, sollten Propellerflugzeuge berücksichtigt werden. Wenn die Dienstleistung aber als “Fliegen mit einer Geschwindigkeit von etwa 1.000 km/h” definiert wird, können wir Propeller ausklammern und uns auf Strahltriebwerke konzentrieren. Allerdings geht die letztere Definition von einem energieintensiveren Dienst aus.

Wenn wir noch weiter in der Zeit zurückgehen, zum Beispiel in das frühe zwanzigste Jahrhundert, dann sind die Menschen überhaupt nicht geflogen, und es macht keinen Sinn, den Treibstoffverbrauch pro Passagier und Kilometer zu vergleichen. Ähnliche Beobachtungen können für viele andere Technologien oder Dienstleistungen gemacht werden, die “energieeffizienter” geworden sind. Betrachtet man sie in einem größeren historischen Kontext, so zerfällt das Konzept der Energieeffizienz vollständig, weil die Dienstleistungen überhaupt nicht äquivalent sind.

Oft braucht man nicht sehr weit zurückzugehen, um dies zu beweisen. So wird beispielsweise bei der Berechnung der Energieeffizienz von Smartphones die frühere Generation von viel weniger energieaufwändigen “Dumbphones” nicht berücksichtigt, obwohl sie noch vor weniger als einem Jahrzehnt Gang und Gäbe waren.

Wie effizient ist eine Wäscheleine?

Wegen der Notwendigkeit, “Gleiches mit Gleichem” zu verrechnen und die Äquivalenz von Dienstleistungen zu etablieren, ignoriert die Energieeffizienz-Politik viele energiearme Alternativen, die oft eine lange Geschichte haben, aber im Kontext des Klimawandels immer noch relevant sind.

Die EU hat zum Beispiel berechnet, dass Energielabels für Wäschetrockner bis 2020 “bis zu 3,3 Twh Strom sparen können, was dem jährlichen Energieverbrauch Maltas entspricht”. 20. Aber wie viel Energie würde vermieden, wenn jeder Europäer bis 2020 eine Wäscheleine statt eines Wäschetrockners verwenden würde? Frag nicht die EU, denn die hat den vermiedenen Energieverbrauch von Wäscheleinen nicht berechnet.

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Weder die EU noch die IEA messen die Energieeffizienz und die vermiedene Energie von Fahrrädern, handgeführten Bohrmaschinen. Wenn Wäscheleinen jedoch als Alternative ernst genommen werden, dann können die projizierten 3,3 TWh Energie, die durch energieeffizientere Wäschetrockner “eingespart” werden, nicht mehr als “vermiedene Energie”, geschweige denn als Kraftstoff betrachtet werden. In ähnlicher Weise untergraben Fahrräder und Kleidung die Idee, die “vermiedene Energie” von energieeffizienteren Autos und Zentralheizungen zu berechnen.

Nicht-nachhaltige Dienstleistungskonzepte.

Das Problem mit der Energieeffizienz-Politik besteht also darin, dass sie sehr effektiv bei der Reproduktion und Stabilisierung von im Wesentlichen nicht nachhaltigen Dienstleistungskonzepten ist. 12 Die Messung der Energieeffizienz von Autos und Wäschetrocknern, ohne gleichzeitig Fahrräder und Wäscheleinen zu berücksichtigen, macht schnelle aber energieintensive Reisemöglichkeiten oder das maschinelle Trocknen von Kleidung nicht verhandelbar und verdrängt viel nachhaltigere Alternativen.

Shove ist der Ansicht: “Programme zur Energieeffizienz sind politisch unumstritten, gerade weil sie die gegenwärtigen Interpretationen von ‘Dienstleistung’ als selbstverständlich voraussetzen… Das unreflektierte Streben nach Effizienz ist problematisch, nicht etwa, weil es nicht funktioniert oder weil der Nutzen anderswo absorbiert wird, wie der Rebound-Effekt suggeriert, sondern weil es dazu dient — über das eingebundene Konzept der Äquivalenz von Dienstleistungen — zunehmend energieintensive Lebensweisen aufrechtzuerhalten, eventuell zu beschleunigen, aber niemals zu untergraben…”. 12

Das Konzept der Energieeffizienz kommt in der Tat einem weiteren Wachstum der Energiedienstleistungen leicht entgegen. Alle zukünftigen Neuerungen können einem Effizienzansatz unterworfen werden. Wenn zum Beispiel Terrassenheizungen und Monsun-Duschen “normal” werden, könnten sie in die bestehende Energieeffizienzpolitik einbezogen werden — wodurch suggeriert wird, das Problem ihres Energieverbrauchs sei unter Kontrolle. Gleichzeitig trägt die Definition, Messung und der Vergleich der Effizienz von Terrassenheizungen und Monsun-Duschen dazu bei, sie “normaler” zu machen. Und um noch einen draufzusetzen wird die Aufnahme neuer Produkte in den Mix nur den Gesamtenergieverbrauch erhöhen, der durch Energieeffizienz “vermieden” wird.

Kurz gesagt, weder die EU noch die IEA erfassen die “vermiedene Energie”, die erzeugt wird, indem man Dinge anders oder gar nicht tut — obwohl diese wohl das größte Potenzial zur Verringerung der Energienachfrage haben. 12 Seit dem Beginn der industriellen Revolution hat es eine massive Ausweitung der Energienutzung und Übertragung menschlicher auf mechanische Antriebsformen gegeben. Obwohl diese Trends den anhaltenden Anstieg der Energienachfrage antreiben, können sie nicht mit dem Konzept der Energieeffizienz gemessen werden.

Wie Shove demonstriert, kann dieses Problem nicht gelöst werden, da Energieeffizienz nur auf der Grundlage äquivalenter Dienstleistungen gemessen werden kann. Stattdessen, so argumentiert sie, bestehe die Herausforderung darin, “die Bedeutungen von Dienstleistungen zu erörtern und zu erweitern und sich explizit mit der Art und Weise zu befassen, wie diese sich entwickeln”. 12

Hin zu einer Politik der Energie-Ineffizienz?

Es gibt mehrere Wege, dem Paralleluniversum der Energieeffizienz zu entkommen. Während Energieeffizienz einerseits eine nennenswerte und langfristige Reduzierung der Energienachfrage verhindert (durch die Äquivalenz von Dienstleistungen), gilt auch das Gegenteil — alles weniger energieeffizient zu machen, würde das Wachstum der Energiedienstleistungen umkehren und die Energienachfrage reduzieren.

Wenn wir beispielsweise Verbrennungsmotoren aus den 1960er Jahren in moderne SUVs einbauen würden, wäre der Kraftstoffverbrauch pro gefahrenem Kilometer viel höher als heute. Nur wenige Menschen wären in der Lage oder bereit, sich das Fahren solcher Autos zu leisten, und sie hätten keine andere Wahl, als auf ein viel leichteres, kleineres und weniger leistungsstarkes Fahrzeug umzusteigen oder weniger zu fahren.

Alles weniger energieeffizient zu machen, würde das Wachstum der Energiedienstleistungen umkehren und die Energienachfrage reduzieren.

Ebenso würde eine “Energie-Ineffizienzpolitik”, die den Einsatz ineffizienter Zentralheizungskessel vorschreibt, die Beheizung großer Häuser auf den heutigen Komfortstandard für die meisten Menschen unerschwinglich machen. Sie wären gezwungen, [alternative Lösungen zu finden, um thermischen Komfort zu erreichen] (/2015/02/heating-pople-not-spaces.html), zum Beispiel nur einen Raum zu heizen, sich wärmer anzuziehen, individuelle Heizgeräte zu verwenden oder in ein kleineres Haus zu ziehen.

Aktuelle Untersuchungen zur Beheizung von Gebäuden bestätigen, dass Ineffizienz Energie sparen kann. Eine deutsche Studie untersuchte die berechneten Energiekennwerte von 3.400 Häusern und verglich diese mit dem tatsächlich gemessenen Verbrauch. 21 In Übereinstimmung mit dem Rebound-Argument fanden die Forscher heraus, dass die Bewohner der energieeffizientesten Häuser (75 kWh/m2/Jahr) im Durchschnitt 30% mehr Energie verbrauchen als der erwartete berechnete Wert. Bei weniger energieeffizienten Häusern wurde jedoch der gegenteilige — “pre-bound” — Effekt beobachtet: Die Menschen verbrauchen weniger Energie als die Modelle berechnet hatten, und je ineffizienter die Wohnung ist, desto größer wird diese Lücke. In den energieineffizientesten Wohnungen (500 kWh/m2/Jahr) lag der Energieverbrauch um 60% unter dem vorhergesagten Niveau.

Von Effizienz zur Suffizienz

Während es wohl mehr Energieeinsparungen bringen würde, die Energieeffizienz-Politik aufzugeben — oder umzukehren — als sie fortzusetzen, gibt es eine andere Option, die attraktiver ist und noch größere Energieeinsparungen bringen könnte. Für einen effektiven politischen Ansatz kann Effizienz ergänzt oder vielleicht sogar eingewoben werden in eine “Suffizienz”-Strategie. Energieeffizienz strebt danach, das Verhältnis von Dienstleistungsoutput zu Energieeinsatz zu erhöhen und gleichzeitig den Output mindestens konstant zu halten. Energie-Suffizienz hingegen ist eine Strategie, die darauf abzielt, das Wachstum der Energiedienstleistungen zu verringern. [ ^4] Im Wesentlichen ist dies eine Rückkehr zu den “Einsparungs”-Politiken der 1970er Jahre. 14

Die Suffizienz kann eine Reduzierung der Dienstleistungen (weniger Licht, weniger Reisen, weniger Geschwindigkeit, niedrigere Innentemperaturen, kleinere Häuser) oder eine Substitution von Dienstleistungen (ein Fahrrad statt eines Autos, eine Wäscheleine statt eines Wäschetrockners, thermische Unterwäsche statt einer Zentralheizung) beinhalten. Anders als bei der Energieeffizienz können die politischen Ziele der Suffizienz nicht in relativen Variablen (wie kWh/m2/Jahr) ausgedrückt werden. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf absoluten Variablen, wie z.B. der Reduzierung von Kohlenstoffemissionen, der Nutzung fossiler Brennstoffe oder von Ölimporten. [ ^17] Anders als bei der Energieeffizienz kann Suffizienz nicht durch die Untersuchung eines einzelnen Produkttyps definiert und gemessen werden, da Suffizienz verschiedene Ersatzformen beinhalten kann. 22 Stattdessen wird eine Suffizienz-Politik definiert und gemessen, indem man sich anschaut, was die Menschen tatsächlich tun.

Eine Suffizienzpolitik könnte ohne eine parallele Effizienzpolitik entwickelt werden, aber deren Kombination könnte größere Energieeinsparungen bringen. Der entscheidende Schritt ist hier, die Energieeffizienz als Mittel und nicht als Selbstzweck zu betrachten, argumentiert Shove. 12 Man stelle sich zum Beispiel vor, wie viel Energie gespart werden könnte, wenn wir einen energieeffizienten Boiler verwenden würden, um nur einen Raum auf 16 Grad zu beheizen, wenn wir einen energieeffizienten Motor in einem viel leichteren Fahrzeug mit weniger und kürzeren Duschen kombinieren würden. Trotz der Tatsache, dass Energieeffizienz als eine Win-Win-Strategie betrachtet wird, bedeutet die Entwicklung des Konzepts der Suffizienz als wesentliche Kraft in der Politik jedoch, normative Urteile zu fällen: So viel Verbrauch ist genug, so viel ist zu viel. 23 Dies ist sicherlich umstritten und riskiert autoritär zu sein, zumindest solange es eine billige Versorgung mit fossilen Brennstoffen gibt.

Illustrationen von Diego Marmolejo


  1. “Energy Efficiency”, European Commission. https://ec.europa.eu/energy/en/topics/energy-efficiency ↩︎ ↩︎

  2. “Energy Efficiency”, International Energy Association (IEA). https://www.iea.org/topics/energyefficiency/ ↩︎ ↩︎

  3. Sorrell, Steve. “Reducing energy demand: A review of issues, challenges and approaches.” Renewable and Sustainable Energy Reviews 47 (2015): 74-82. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1364032115001471 ↩︎ ↩︎ ↩︎

  4. Brischke, Lars-Arvid, et al. Energy sufficiency in private households enabled by adequate appliances. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, 2015. https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/5932/file/5932_Brischke.pdf ↩︎

  5. “Poor people’s Energy Outlook 2016”, Practical Action, 2016. https://policy.practicalaction.org/policy-themes/energy/poor-peoples-energy-outlook/poor-people-s-energy-outlook-2016 ↩︎

  6. “Energy use (kg of oil equivalent per capita)”, World Bank, 2014. https://data.worldbank.org/indicator/EG.USE.PCAP.KG.OE ↩︎

  7. Alcott, Blake. “Jevons’ paradox.” Ecological economics 54.1 (2005): 9-21. https://pdfs.semanticscholar.org/f247/b8fae38e0c46bb9d1020b0be0d589db28446.pdf ↩︎

  8. Sorrell, Steve. “The Rebound Effect: an assessment of the evidence for economy-wide energy savings from improved energy efficiency.” (2007). http://ukerc.rl.ac.uk/UCAT/PUBLICATIONS/The_Rebound_Effect_An_Assessment_of_the_Evidence_for_Economy-wide_Energy_Savings_from_Improved_Energy_Efficiency.pdf ↩︎ ↩︎

  9. Kyba, Christopher CM, et al. “Artificially lit surface of Earth at night increasing in radiance and extent.” Science advances 3.11 (2017): e1701528. http://advances.sciencemag.org/content/3/11/e1701528.full?intcmp=trendmd-adv; Tsao, Jeffrey Y., et al. “Solid-state lighting: an energy-economics perspective.” Journal of Physics D: Applied Physics 43.35 (2010): 354001. http://siteresources.worldbank.org/INTEAER/Resources/Sao.Simmons.pdf ↩︎

  10. Young, Gregory. “Illuminating the Issues.” (2013). http://www.scenic.org/storage/documents/Digital_Signage_Final_Dec_14_2010.pdf ↩︎

  11. Gillingham, Kenneth, et al. “Energy policy: The rebound effect is overplayed.” Nature 493.7433 (2013): 475-476. http://environment.yale.edu/kotchen/pubs/rebound.pdf ↩︎ ↩︎

  12. Shove, Elizabeth. “What is wrong with energy efficiency?.” Building Research & Information (2017): 1-11. http://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/09613218.2017.1361746 ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎

  13. Calwell, Is efficient sufficient? Report for the European Council for an Energy Efficient Economy. http://www.eceee.org/static/media/uploads/site-2/policy-areas/sufficiency/eceee_Progressive_Efficiency.pdf ↩︎

  14. Lutzenhiser, Loren. “Through the energy efficiency looking glass.” Energy Research & Social Science 1 (2014): 141-151. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2214629614000255 ↩︎ ↩︎ ↩︎

  15. Good Practice in Energy Efficiency: for a sustainable, safer and more competitive Europe. European Commission, 2017. ↩︎

  16. Capturing the Multiple Benefits of Energy Efficiency. IEA, 2014. https://www.iea.org/Textbase/npsum/MultipleBenefits2014SUM.pdf ↩︎

  17. Harris, Jeffrey, et al. “Towards a sustainable energy balance: progressive efficiency and the return of energy conservation.” Energy efficiency 1.3 (2008): 175-188. https://pubarchive.lbl.gov/islandora/object/ir%3A150324/datastream/PDF/view ↩︎

  18. How (not) to resolve the energy crisis, Low-tech Magazine, Kris De Decker, 2009. https://solar.lowtechmagazine.com/2009/11/how-not-to-resolve-the-energy-crisis/ ↩︎

  19. Peeters, Paul, J. Middel, and A. Hoolhorst. “Fuel efficiency of commercial aircraft.” An overview of historical and future trends (2005). https://www.transportenvironment.org/publications/fuel-efficiency-commercial-aircraft-overview-historical-and-future-trends ↩︎

  20. Household Tumble Driers, European Commission. https://ec.europa.eu/energy/en/topics/energy-efficiency/energy-efficient-products/household-tumble-driers ↩︎

  21. Sunikka-Blank, Minna, and Ray Galvin. “Introducing the prebound effect: the gap between performance and actual energy consumption.” Building Research & Information 40.3 (2012): 260-273. http://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/09613218.2012.690952 ↩︎

  22. Thomas, Stefan, et al. Energy sufficiency policy: an evolution of energy efficiency policy or radically new approaches?. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, 2015. https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/5922/file/5922_Thomas.pdf ↩︎

  23. Darby, Sarah. “Enough is as good as a feast–sufficiency as policy.” Proceedings, European Council for an Energy-Efficient Economy. La Colle sur Loup, 2007. https://pdfs.semanticscholar.org/8e68/c68ace130104ef6fc0f736339ff34b253509.pdf ↩︎