Küsten- und Flussbefestigungen
Der Klimawandel ist eine unmittelbare Bedrohung für dicht besiedelte Küsten- und Flussgemeinden weltweit. Seit Jahrhunderten haben die Menschen Schutzbauten errichtet, um Überschwemmungen und Erosion zu verhindern: Dämme, Schotten, Wellenbrecher, Buhnen, Deiche und Deckwerke. Heutzutage werden diese Bauwerke in der Regel zumindest teilweise aus energie- und kohlenstoffintensiven Materialien errichtet: Stahlbeton (am häufigsten), Geotextilien, Stahl, Drahtgeflecht, Asphalt. Jedoch waren früher Menschen in der Lage, gut angepasste Fluss- und Küstenschutzanlagen zu bauen, ohne deshalb zur längerfristigen Zerstörung der Umwelt beizutragen.
Eine Inspiration kommt - wenig überraschend - aus den Niederlanden. Das Meer war in den Niederlanden schon lange vor dem Klimawandel eine Bedrohung. Die Niederländer bauten ihr Land teilweise vom Meeresgrund aus auf, legten es mit Windmühlen trocken und umgaben das neu gewonnene Land mit Deichen. Die niederländische Küste hat einen feinkörnigen, sandigen Boden, der der Reibung des Wassers nur wenig Widerstand entgegensetzt. Strömung, Wellen und Schiffsschrauben scheuern den Boden auf und können leicht zum Einsturz von Deichen, Ufern, Kais, Schleusen und Widerlagern führen.
Die Faschinenmatten
Bei stehendem oder langsam fließendem Süß- oder Brackwasser kann die Anpflanzung von Schilf an der Wasserlinie die Flussufer schützen. Bei Salzwasser funktioniert dieser Ansatz jedoch nicht. Er verhindert erst recht keine Schäden durch große Wellen. Vor mindestens 400 Jahren haben die Niederländer eine Lösung gefunden: die Faschinenmatte. Eine Faschinenmatte besteht aus Tausenden von feinen Zweigen, hauptsächlich von Weidenbäumen. Diese werden zu einer stabilen Matte verwoben, die auf den Grund eines Kanals, einer Flussmündung oder eines Flusses gelegt wird. Eine Faschinenmatte kann Teile eines Flussufers oder Deichs bedecken.
Die Faschinenmatten waren häufig rechteckig und hatten eine große Fläche: in der Regel zwischen 20 und 30 Metern breit und bis zu 150 Metern lang, manchmal auch länger. Die Strukturen wurden an Land hergestellt, zu ihrem Einsatzort geschleppt und dann auf den Grund gesenkt indem sie mit Schutt beschwert wurden. Alles geschah von Hand. Das Holz für das Flechten der Matten kam aus nahegelegenen Niederwaldplantagen.
Lebenserwartung: Jahrhunderte
Es ist nicht klar, wann genau die Niederländer damit begannen, Faschinenmatten zu verwenden. Die älteste Darstellung ist ein Gemälde von Matthias Withoos aus dem Jahr 1676, auf dem die Reparatur eines Deichs dargestellt ist. Es gibt jedoch bereits im sechzehnten Jahrhundert Hinweise auf Reisigkonstruktionen im Wasserbau. Viele Faschinenmatten sind noch heute funktionsfähig, Jahrhunderte nach ihrer Herstellung. Weidenholz wird unter Wasser steinhart und verrottet fast nicht. Untersuchungen in den späten 1960er Jahren ergaben, dass die meisten Faschinenmatten, die mehr als 100 Jahre lang unter Wasser lagen - einige stammen aus den frühen 1820er Jahren - intakt geblieben sind.
Wir wissen nicht, wie viele Faschinenmatten noch auf dem Grund der niederländischen Gewässer ihren Dienst tun, aber es gibt sie fast überall. Die meisten Daten stammen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Niederländer diese Technik in großem Umfang einsetzten. Im Jahr 1953 kam es in den Niederlanden zu einer Flutkatastrophe. Aus dieser Erfahrung entstanden die Deltawerke, eine Reihe von ehrgeizigen Bauvorhaben zum Schutz des Landes vor dem Meer.
Faschinenmatten waren ein wesentlicher Bestandteil dieses Vorhabens. Die Niederländer legten beispielsweise zwischen 1960 und 1966 200.000 m2 Faschinenmatten bei den Westfriesischen Inseln an. Zwischen 1954 und 1967 wurden bei Arbeiten an den Flüssen im ganzen Land 1.200.000 m2 Faschinenmatten auf dem Grund versenkt.
Flechten einer Faschinenmatte
Die Herstellung einer Faschinenmatte war ein Handwerk, das hauptsächlich aus Knoten und Flechten bestand. In Gezeitengebieten flochten die Niederländer Faschinenmatten auf Wattflächen, die bei Ebbe trocken lagen. Das bedeutete, dass die Arbeit schnell vonstatten gehen musste. Wenn die Flut wieder einsetzte, begann die Struktur zu schwimmen - und sie musste stabil genug sein, um nicht abzutreiben. Die Fertigstellung der Faschinenmatte konnte bei der nächsten Ebbe erfolgen oder sogar noch während die Konstruktion schwamm.
Die Handwerker begannen damit, Reisig zu Bündeln oder Streifen zu flechten, die als Faschinen bezeichnet wurden (“wiepen” auf Niederländisch). Die Faschinen waren bis zu 50 m lang, hatten einen Durchmesser von etwa 30-50 cm und wurden mit dünnen Zweigen zusammengebunden. Die Faschinen dienten als unteres Gerüst, das die Grundlage für die gesamte Konstruktion bildete. Die Bündel wurden im Abstand von etwa einem Meter kreuzweise übereinander gelegt und an den Kreuzungen mit einem Seil und einem Pfahl gesichert.
Auf dieses Gerüst kam eine 30-40 cm dicke Füllung aus zwei übereinander liegenden Lagen Reisig. Dazwischen kam eine Schilfschicht, die die Faschinenmatte sandfest machte. Dann wurde ein oberes Gerüst aus Faschinen gebaut, das mit dem unteren Gerüst identisch war und auf der Füllung lag. Dann befestigten die Männer das Ganze an den Pfosten. Etwa sechs Männer waren nötig, um 100 m2 Faschinenmatte zu bauen.
Zäune
Als Nächstes flochten die Handwerker Zäune auf eine Faschinenmatte, indem sie um die Stangen an den Kreuzungspunkten der Faschinen Reisig flochten. Diese Reisigzäune ragten weit über die Oberseite der Matten hinaus. Sie verstärkten die Struktur zusätzlich. Außerdem verhinderten sie, dass Schutt, den man zum Beschweren auflud, von der Matte herunterrollte. Dieses Risiko bestand beim Absenken der Faschinenmatte. Die Umzäunung erfüllte auch dann ihre Aufgabe, wenn die Faschinenmatte auf einem steilen Abhang ruhte, z. B. auf einem Deich. Kleinere Steinbrocken konnten von der Strömung mitgerissen werden, die Zäune verhinderten dies. Schließlich versahen die Männer eine Faschinenmatte mit Schleppstützen (Anordnungen von sieben Pfählen, mit denen die Seile fest verbunden wurden), um sie zu vorwärts zu ziehen.
Eine Faschinenmatte absenken
Nachdem die Handwerker eine Faschinenmatte an ihren Bestimmungsort geschleppt und dort verankert hatten, versenkten sie die Konstruktion bis auf den Grund. Zu diesem Zweck beschwerten die Arbeiter die Faschinenmatte mit Steinen und Schutt. Diese schwere Arbeit geschah von Hand. Reihen von Handwerkern standen auf Laufstegen und reichten einen 10 bis 30 kg schweren Stein nach dem anderen weiter. Arbeiter mit Schubkarren transportierten den Schutt vom Land oder schaufelten ihn direkt von einem Boot auf die Faschinenmatte.
Auf See wurden für einen Quadratmeter Faschinenmatte etwa 200 kg Steine zum Versenken benötigt. Das meiste Gewicht wurde an den Rändern angebracht, um zu verhindern, dass die Faschinenmatte beim Absenken umkippt. Sobald die Struktur den Grund erreicht hatte, fügte man weitere 1.000 kg schwerere Steine hinzu. Auf Flüssen wurde weniger Gewicht benötigt: nur etwa 120 Kilogramm für das Absenken einer Faschinenmatratze und etwa 300 Kilogramm, um sie in Position zu halten. Genügend Steine zu finden, war viel problematischer als Reisig zu finden. Die Steine mussten von weit her mit dem Schiff herangeschafft werden.
Die Faschinenmatten konnten nur bei ruhiger See und geringer Strömung versenkt werden, daher waren die zeitlichen Abläufe entscheidend. Das Wasser muss im Stau sein, das ist während eines Zeitraums von wenigen Minuten der Fall, genau zwischen Ebbe und Flut. Dieser Zeitraum wurde optimal ausgenutzt, auch wenn dies bedeutete, dass die Arbeiten teilweise nachts durchgeführt werden mussten.
Übereinanderliegende Faschinenmatten
Eine Faschinenmatte an der richtigen Stelle zu platzieren, war herausfordernd. Es war schwierig, sie präzise zu versenken. Einigen Quellen zufolge war zwischen benachbarten Faschinenmatten oft ein Abstand von 2-5 Metern vorgesehen. Ein Überlappen sollte vermieden werden da die Strömung das obere Stück anheben und umdrehen könnte.
Gerrit Jan Schiereck, ein pensionierter Professor für Wasserbau und ehemaliger Mitarbeiter des niederländischen Bauamtes, ist jedoch anderer Meinung: “Im Gegensatz zu dem, was in manchen Büchern steht, war es notwendig, dass sich die Faschinenmatratzen teilweise überlappen.” 1
Nicht alle Faschinenmatten waren rechteckig. Bei Anschlüssen an bestehende Werke, in Flussbiegungen und bei anderen Unregelmäßigkeiten konnten sie die Form eines Trapezes oder eines unregelmäßigen Vierecks annehmen. Stücke mit abgeschnittenen Ecken wurden jedoch nach Möglichkeit vermieden.
Gezeiten-Niederwald
Dass Faschinenmatten eingesetzt wurden, stand in enger Verbindung mit der groß angelegten Reisigholzproduktion in Niederwaldplantagen. Wie wir in einem früheren Artikel gesehen haben, ernteten unsere Vorfahren das Holz, indem sie Bäume beschnitten, anstatt sie zu fällen. Die niederländischen Weidenplantagen - die “Grienden” - zeichnen sich durch ihre “nassen” Böden aus: hohe Flusspegel oder Gezeiten überschwemmten das Land gelegentlich. Im Gegensatz zu den meisten anderen Baumarten verträgt die Weide Salzwasser und (vorübergehend) nasse Füße. So konnten die Niederwaldplantagen Flächen nutzen, die für die Landwirtschaft nicht geeignet waren.
Im Jahr 1915 bestanden etwa 14.000 Hektar (140 km2) des niederländischen Waldes aus Gezeiten- oder Flussniederwald, gegenüber 85.000 Hektar “normalem” Niederwald und 155.000 Hektar Hochwald. Die meisten davon lagen entlang der Flussmündungen außerhalb der Deiche und in den Flussgebieten von Südholland und Nordbrabant. Der größte Komplex befand sich im Biesbosch. Mehr als 200 verschiedene Weidenarten wurden in Gezeiten- und Flussniederwaldplantagen angebaut. Auf verarmten Böden pflanzten die Niederländer Erlen zwischen die Weiden. Die herabfallenden Blätter der Erlen düngten die Böden und erhöhten Lebensdauer und Ertrag der Weiden.
Oft umgab ein Kai die gezeitenabhängigen Niederwaldplantagen. Er hielt bei normaler Flut das Wasser ab. Nur im Winter, bei Sturmflut, wurde die Plantage überschwemmt. Schütze sorgten dafür, dass das Wasser langsam genug abfloss, damit sich der Schlamm absetzen und den Boden düngen konnte. Gräben durchzogen die Plantagen und dienten der Entwässerung - stehendes Wasser schadet den Pflanzen. Die Arbeiter nutzten die engen Kanäle auch, um das Reisig mit Booten aus den Plantagen zu transportieren. Die Flussniederwaldplantagen lagen innerhalb der Deiche. Hier bestimmte der Grundwasserspiegel - beeinflusst durch die nahe gelegenen Flüsse - das Umfeld für die Bäume.
Die Holzernte war ebenso arbeitsintensiv wie das Flechten der Faschinenmatten. Die Arbeit erfolgte ausschließlich von Hand und konzentrierte sich auf die Wintermonate. Die Plantagenarbeiter hackten das Reisig nach dem Laubfall und banden die Äste zu Bündeln. Sie setzten auch neue Stecklinge in den Boden, baggerten die Gräben aus und entfernten das Holz. Die meisten Arbeiter in den Niederwaldplantagen waren Tagelöhner in einer Jahreszeit, in der es nur wenig landwirtschaftliche Arbeit gab. Sie schliefen meist in kleinen Unterkünften oder auf kleinen Booten auf den Plantagen. 2
Entwicklung während der 1960er Jahre
Nach den katastrophalen Überschwemmungen in den 1950er Jahren setzten die Niederländer eine Arbeitsgruppe ein, um Methoden zu finden, die Arbeit einsparen und die Produktion verbessern helfen. Das Flechten der Faschinen, das etwa ein Drittel aller Arbeitsstunden bei der Herstellung einer Faschinenmatte ausmachte, war der erste Vorgang, der mechanisiert wurde. Eine “Faschinenmaschine”, die mit einem 2-PS-Dieselmotor betrieben wurde, kam 1956 auf den Markt. Sie konnte 10.000 Faschinen pro Woche herstellen und lieferte genug Material für 2.300 m2 Faschinenmatten. Ab den 1950er Jahren setzten die Niederländer auch Kräne und Vibrationsrüttler ein, um den Schutt zu bewegen, und sie bauten Kaianlagen, um die Faschinenmatten an großen Hängen direkt am Wasser zu flechten. Dies machte den Bau einer Faschinenmatte unabhängig von den Gezeiten und ermöglichte eine bessere Arbeitsorganisation. Auch die Techniken zum Absenken der Strukturen entwickelten sich weiter.
Schließlich konnte durch die Erfindung von Geotextilien als geeignete Sandfilter der Bedarf an geschlagenem Holz gesenkt werden. Dies war entscheidend, denn die damals im Land vorhandenen Weidenfelder konnten nicht die für das Deltaprojekt benötigten Mengen liefern. Die niederländischen Gezeiten- und Flussniederwaldplantagen dienten unterschiedlichen Zwecken, und Faschinenmatten machten nur einen kleinen Anteil aus. Viel wichtiger waren das Flechten von Körben und Kisten und vor allem der Bau von Reifen für die Herstellung von Heringsfässern, einem wichtigen Exportprodukt der Niederlande zu jener Zeit. Die Niederländer verwendeten die Abfälle aus der Reifenherstellung sogar zum Flechten von Faschinenmatten. Nach dem Ersten Weltkrieg verdrängten jedoch Eisenbänder und andere Verpackungsmaterialien die Reifenherstellung vom Markt. Außerdem erleichterten fossile Brennstoffe die Trockenhaltung der Polder, so dass immer weniger Land für die Anpflanzung von Niederwald zur Verfügung stand. Von den 14 000 Hektar Gezeiten- und Flussniederwald im Jahr 1915 waren 1983 nur noch 2 000 Hektar übrig.
Die Verwendung der traditionellen Faschinenmatten - ohne Geotextilien - ist fast vollständig verschwunden. In Naturschutzgebieten werden sie jedoch nach wie vor verwendet, und in letzter Zeit ist das Interesse an ihnen wieder gestiegen. Die Herstellung von Stahl, Beton und Kunststoff setzt Kohlenstoffemissionen frei und verursacht auch andere Formen der Umweltverschmutzung. Traditionelle Faschinenmatten hingegen entziehen der Atmosphäre Kohlenstoff und speichern ihn für einige Jahrhunderte auf dem Meeresboden - ohne Umweltverschmutzung oder fossile Brennstoffe.
Dank an Gerrit Jan Schiereck, Bart Schultz, und Alice Essam.
Quellen:
De Bruin, Dick, and Bart Schultz. “A simple start with far‐reaching consequences.” Irrigation and Drainage: The journal of the International Commission on Irrigation and Drainage 52.1 (2003): 51-63.
Zink- en aanverwante werken, benevens het hoe en de wijze waarop, B. Hakkeling, 1970.
JW van Westen, Ontwerp en uitvoering van zinkwerken, 1969.
Holland’s rijshout, L.G. van Breen, 1920.
J.A.M. Schepers, Een landelijk overzicht van de grienden, 1988
Getijdenbossen, F.W. Rappard, 1971
Rijshout-, riet- en stroconstructies, J.C Visser 1954
Stroomzinken 1967-1968, H.Y. Wenning
De teelt van griend- en teenhout in nederland en het naburige vlaanderen. DWP Wisboom van Giessendam, 1878.
Geschiedenis van de techniek in nederland. De wording van een moderne samenleving. 1800-1890, deel III. H.W. Lintsen, 1993.
Wilgenkartering in de Brabantse, Sliedrechtse en Dordtse Biesbosch, 2012-2013. Nationaal Park de Biesbosch, 2014.