Züge gelten als wesentlich umweltfreundlicher als Flugzeuge. Leider verlieren sie bei höherer Geschwindigkeit ihren ökologischen Vorteil. Und die Bahngesellschaften scheinen von Geschwindigkeit besessen zu sein. Letzte Woche brach ein französischer Hochgeschwindigkeitszug der Gattung TGV offiziell den Geschwindigkeitsrekord von 515 km/h aus dem Jahr 1990. Ein umgebauter Hochgeschwindigkeitszug von Alstom erreichte auf der Strecke Paris - Straßburg eine Geschwindigkeit von mehr als 574 Stundenkilometern (das Video ist im Internet zu sehen). Dabei verbrauchte er 19.600 Kilowatt Strom, dies entspricht dem Energieverbrauch eines großen Bürogebäudes. In einer Presseerklärung lobte Präsident Chirac den Zug als “umweltfreundlich”.
Eine weitere Folge der hohen Geschwindigkeit ist eine geringere Kapazität der Bahnstrecke. Bei steigender Geschwindigkeit, nimmt auch der Bremsweg zu.
Die in der Industrie üblichen Geschwindigkeiten auf europäischen und japanischen Hochgeschwindigkeitsstrecken stiegen von weniger als 250 Stundenkilometern in den Neunzigern auf aktuell mehr als 300 Stundenkilometer. Die Züge, die gerade gebaut werden, schaffen 350 bis 400 Kilometer pro Stunde. Leider steigt der Energieverbrauch eines Zuges exponentiell mit seiner Geschwindigkeit. Der Grund dafür ist, dass der Luftwiderstand quadratisch mit der Geschwindigkeit zunimmt. Laut einer Studie der Universität Lancaster verlieren Züge bei einer Geschwindigkeit von 300 bis 400 Kilometern pro Stunde ihre Umweltvorteile gegenüber Flugzeugen.
Eine weitere Folge der hohen Geschwindigkeit ist eine geringere Kapazität der Bahnstrecke. Bei steigender Geschwindigkeit, nimmt auch der Bremsweg zu, sodass die Züge mehr Abstand halten müssen.
Laut der Lancaster-Studie ist die Kapazität einer Bahnstrecke bei einem Tempo von 100 Kilometern pro Stunde am höchsten, wenn alle 60 Minuten 50 Züge passieren können. Bei einer Geschwindigkeit von 350 Kilometern pro Stunde können nur 25 Züge passieren. Mehr Energie wird verbraucht, aber weniger Menschen werden befördert, alles, was wir gewinnen, ist Geschwindigkeit. Flugzeuge hingegen sind noch schneller und werden es immer bleiben.
Außerdem ist nach derselben Analyse die Umweltbilanz der jetzt eingesetzten Hochgeschwindigkeitszüge (bei einer Geschwindigkeit von 225 bis 250 Stundenkilometern) eher bescheiden. Ein modernes Dieselauto mit zwei Passagieren an Bord stößt pro Passagier die gleiche Menge an Treibhausgasen aus wie ein Zug. Mit mehr Passagieren an Bord schneidet das Auto deutlich besser ab als der Zug.
Wenn ein Zug mit Strom aus Kohlekraftwerken angetrieben wird, ist die Umweltbilanz deutlich schlechter als die eines modernen Flugzeugs.
Es gibt noch einen weiteren Faktor, der die ökologische Bilanz des Zuges verschlechtert, obwohl sie nicht so erscheint. Eurostar, das Unternehmen, das Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen dem Vereinigten Königreich und dem europäischen Festland anbietet, behauptet auf seiner Website, dass ein Hochgeschwindigkeitszug zehnmal weniger CO2 ausstößt als ein Flugzeug. Diese Berechnung berücksichtigt jedoch nicht die Ressourcen, die für den Bau und die Instandhaltung neuer Bahnstrecken benötigt werden. Der Bau von Hunderten Kilometern Gleisbetten, Schienen, Querträgern und Oberleitungen verschlingt nicht nur Geld, sondern auch Tausende Tonnen an Stahl, Kupfer, Beton, Sand und Schotter.
All diese Dinge müssen hergestellt oder abgebaut und dann transportiert werden. Im Falle von Flugzeugen sind Flughäfen die einzige Infrastruktur, die benötigt wird. Flugzeuge brauchen keine Straßen oder Schienen, was auch bedeutet, dass keine Grünflächen oder Häuser verschwinden müssen, um Verbindungen zwischen Städten herzustellen. All dies macht Flugzeuge nicht zu einem umweltfreundlichen Transportmittel - im Gegenteil. Aber die europäische Strategie, Reisende aus ökologischen Gründen von Flugzeugen in Hochgeschwindigkeitszüge zu stecken, ist genauso wenig sinnvoll.
Die Berechnung der Umweltbilanz verschiedener Verkehrsmittel ist eine heikle Angelegenheit. Zwei Faktoren spielen eine entscheidende Rolle: zum einen die Auslastung, zum anderen das genaue Modell des Flugzeuges, Zuges oder Autos. Beide Faktoren kippen die Waage so sehr, dass es leicht ist, aus ihnen die gewünschten Schlussfolgerungen zu ziehen. Bei elektrischen Zügen, und damit auch bei Hochgeschwindigkeitszügen, kommt ein weiteres Element hinzu: die Art und Weise, wie der Strom erzeugt wird.
Wird der Strom von Windrädern oder Sonnenkollektoren erzeugt, dann kann man sagen, dass ein Zug so grün ist wie ein Fahhrad - unabhängig von seiner Geschwindigkeit.
Wenn ein Zug mit Strom aus Kohlekraftwerken angetrieben wird, ist die Umweltbilanz deutlich schlechter als die eines modernen Flugzeugs. Wird der Strom von Windrädern oder Sonnenkollektoren erzeugt, dann kann man sagen, dass ein Zug fast so grün ist wie ein Fahrrad - unabhängig von seiner Geschwindigkeit. Und wenn er mit Atomstrom fährt, nun, da gehen die Meinungen auseinander.
Elektrische Züge werden umweltfreundlicher, wenn unsere Stromproduktion belastbarer und nachhaltiger wird, ein Vorteil, den Flugzeuge und Autos nicht haben. Um Autos und Flugzeuge umweltfreundlicher zu machen, müssen wir sie komplett neu gestalten. Nun, da Europa mit dem Bau von Hochgeschwindigkeitsnetzen begonnen hat, sollte es diese als Anregung betrachten, um seine Stromproduktion grüner zu machen.
Gelingt dies nicht, wird der Kontinent mit einem teuren Zugnetz belastet, das genauso umweltschädlich ist wie der Flugverkehr - es sei denn, ihre Geschwindigkeit wird auf 150 Kilometer pro Stunde begrenzt. Bei dieser Geschwindigkeit sind sie dank ihrer besseren Aerodynamik sparsamer als herkömmliche Züge.